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Prüfen mit generativer KI – Anything goes?

Künstliche Intelligenz hält rapide weiter Einzug in unser aller Leben und damit auch in den Bildungs-sektor. Insbesondere generative KI-Tools eröffnen in Studium und Lehre vollkommen neue Mög-lichkeiten, die jedoch mit ebenso vielen Fragen, beispielsweise im Hinblick auf Prüfungsordnungen und Datenschutz, einhergehen. Einige Lehrende gehen das Wagnis „Prüfen mit KI“ dennoch ein und machen spannende Erfahrungen.

Seit der Veröffentlichung von ChatGPT3 im November 2022 beschäftigen sich Lehrende, Mitarbeitende und Studierende an Hochschulen weltweit mit der Frage, wie generative KI-Tools sich auf das Lehren, Lernen und Prüfen auswirken werden. Während viele Diskussionen gerade im Kontext der Prüfungsthematik weiterhin darum kreisen, ob und unter welchen Bedingungen der Einsatz generativer KI-Anwendungen in Prüfungen erlaubt sein sollte, gehen einige Lehrende bereits einen Schritt voraus: Sie erlauben die Verwendung generativer KI nicht nur, sondern bestärken Studierende darin, sich mit den Tools auseinanderzusetzen und passen ihre Prüfungsformate dahingehend an.

Ein Beispiel für das Prüfen mit generativer KI an der Hochschule Niederrhein kommt von Professor Dr. Jürgen Karla aus dem Fachbereich Wirtschaftswissenschaften. In seinem Wahlpflichtmodul Multimedia im Studiengang Wirtschaftsinformatik integrierte er im Wintersemester 2023/24 generative KI-Anwendungen in einen Teilbereich der Portfolioprüfung. Dort stellte er den Studierenden, die sich in diesem Modul üblicherweise im fünften oder sechsten Fachsemester befinden, die Aufgabe, ein Artefakt mit generativer KI zu generieren. Dabei ließ er ihnen weitgehend freie Hand und ermutigte die Studierenden auch dazu, verschiedene KI-Tools miteinander zu kombinieren. Denn obwohl ChatGPT weiterhin in aller Munde ist, gibt es darüber hinaus unzählige weitere generative KI-Anwendungen, die spannende Möglichkeiten u.a. für Studium und Lehre bergen.

Bei aller kreativer Freiheit war Professor Karla aber wichtig, dass die Studierenden ihr Vorgehen, beispielsweise die benutzten Prompts, in ihrem Portfolio dokumentieren und reflektieren. Vonseiten der Hochschulleitung gab es außerdem die Vorgabe, dass Professor Karla die Studierenden in einer Lehreinheit zu Beginn des Semesters in datenschutzrelevante Fragestellungen und die damit einhergehenden Risiken in Verbindung mit dem Einsatz generativer KI einführt.

Die Ergebnisse, die aus der offen formulierten Aufgabenstellung hervorgingen, sind teils beeindruckend. Ein Studierender hat etwa mit Erlaubnis von Professor Karla Aufnahmen von dessen Podcast verwendet, um einen KI-Sprachgenerator zu trainieren und ließ diesen dann Texte mit der Stimme Jürgen Karlas vorlesen. So hörte der Lehrende in Audio-Aufnahmen seine eigene Stimme Dinge sagen, die er selbst nie ausgesprochen hat. Eine andere Studentin erstellte auf äußerst kreative Weise ein Video, indem sie sich in mehreren Schritten verschiedener KI-Anwendungen bediente. Zunächst ließ sie ChatGPT ein modernes Märchen schreiben und bat das Sprachmodell daraufhin, detaillierte Personas für die einzelnen Figuren zu erstellen. Anschließend ließ die Studentin ChatGPT auf Basis dieser Personas Prompts formulieren, die sie dazu nutzte, die text-to-image-AI Dall·E Bilder von den Märchenfiguren generieren zu lassen. Der Text des Märchens wurde von einer stimmgenerierenden KI vorgelesen und mit den generierten Bildern wiederum in eine Video-KI eingepflegt. So konnte sie schließlich als Prüfungsleistung einen vertonten Märchenfilm präsentieren.

Allerdings gab es auch weniger überzeugende Prüfungsergebnisse mit einer sehr geringen Eigenleistung. Jürgen Karla beobachtet: „Stärkere Studierende scheinen mithilfe Künstlicher Intelligenz noch besser zu werden, während schwächere Studierende unter Umständen abgehängt werden könnten und sich insbesondere mit der integrierten Nutzung mehrerer KIs schwer tun.“ Diese und ähnliche Bedenken werden im Kontext des Einsatzes generativer KI-Anwendungen im Bildungssektor tatsächlich vermehrt geäußert. Es wird Aufgabe und Herausforderung der Hochschulen sein, Ungleichheiten, die durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Studienkontext entstehen oder verstärkt werden, durch geeignete Maßnahmen und Angebote – nicht zuletzt didaktischer Natur –  aufzufangen.