Artgerechte Tierhaltung, Qualität und Nachhaltigkeit, Transparenz zu Herkunft und Verarbeitung: Die Ansprüche der Verbraucher an Lebensmittel sind gestiegen. Vor allem auf Sicherheitsvorfälle reagieren sie zunehmend alarmiert.
Die Hochschule Niederrhein (HSNR) nimmt in einem Förderprojekt konkret die Fleischverarbeitungsbranche in den Blick und will wissen: Wie lassen sich mögliche Probleme bei der Lebensmittelsicherheit und -qualität schon in der Lieferkette erkennen und beheben, bevor sie auftreten? Wie gelingt es, dadurch nachhaltig und ressourcenschonend zu arbeiten? Und wie können Tierwohl und -gesundheit anhand gesammelter Daten gezielt verbessert werden?
Dazu forscht der Fachbereich Oecotrophologie bis August 2025. HSNR-Projektleiter Professor Dr.-Ing. Maik Schürmeyer und Projektkoordinatorin Corinna Köters entwickeln gemeinsam mit der Hochschule Offenburg und dem Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik (FIT) Anwendungen im Bereich Künstliche Intelligenz (KI), die in den Produktionsstätten der beiden regionalen Projektpartner Kolsert KG und Sauels frische Wurst GmbH Fleischwaren & Co. KG getestet werden. Für ihr Verbundprojekt „Künstliche Intelligenz für nachhaltige Lebensmittelqualität in Lieferketten (KINLI)“ bekommt die HSNR 238.000 Euro vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft.
Das Ziel: Ein technisches System, das mittels KI sich anbahnende Abweichungen frühzeitig im Verarbeitungsprozess registriert. Das ist wichtig, um auffällige Chargen rauszunehmen oder den Vorgang abzubrechen. Bei vielen in der Industrie eingesetzten Systemen werden Auffälligkeiten nämlich oft erst am Endprodukt festgestellt, nachdem die Rohware schon alle Verarbeitungsschritte durchlaufen hat. „Wir wollen schneller, vor allem proaktiv handeln“, sagt Lebensmittelwissenschaftlerin Corinna Köters, die in dem vorhersehbaren (prädiktiven) Ansatz einen großen Vorteil sieht.
Doch was passiert bei KINLI genau? Der Aspekt Lebensmittelsicherheit und -qualität wird am Beispiel der Kochschinkenproduktion getestet. Mittels KI werden erfasste Produktions- und Prozessdaten analysiert, um kritische Stellen im Ablauf frühzeitig zu ermitteln und für das Qualitätsmanagement zu markieren. Entsprechen das unbearbeitete Fleisch und die Messwerte der Verarbeitungsprozesse den Vorgaben? Mittels Bilddaten und anderer technischer Hilfsmittel lässt sich dies durch die KI gut erkennen.
Das System geht aber noch einen Schritt weiter zurück und setzt schon bei der Aufzucht an. Dazu wertet die KI Bilddaten von Puten aus, um Rückschlüsse auf die Aufzucht- und Haltungsbedingungen der Nutztiere zu ziehen. So können Auffälligkeiten im Bewegungsmuster oder Gesundheitszustand identifiziert und Maßnahmen zur Steigerung des Tierwohls abgeleitet werden.
Das Konzept konzentriert sich zwar zunächst auf die Fleischindustrie, soll aber so ausgelegt sein, dass es problemlos auf andere Branchen der Lebensmittelindustrie übertragbar ist. Die Hochschule Offenburg und das FIT sind in diesem Projekt federführend für die Entwicklung der KI zuständig, die HSNR für die konzeptionelle Bearbeitung. Sie ist die Schnittstelle zu den Praxispartnern, erstellt ein Konzept für die KI in der Fleischindustrie samt Marktanalyse, untersucht Anwendungsfälle in den beteiligten Unternehmen und managt das Projekt über den gesamten Zeitraum.
Auch Studierende sind eingebunden, indem sie Semester- sowie Abschlussarbeiten in den Bachelor- und Master-Studiengängen Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften verfassen.
Faktenkasten:
- Name des Förderprojekts: KINLI(Künstliche Intelligenz für nachhaltige Lebensmittelqualität in Lieferketten)
- Laufzeit: Bis 31. August 2025
- Fördersumme: Rund 1,66 Millionen Euro vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, davon gehen 238.000 Euro an die HSNR. Insgesamt gibt es 44 Millionen Euro für bundesweit 36 Verbundprojekte zu den Themengebieten Landwirtschaft, Lebensmittelkette/gesundheitliche Ernährung und ländliche Bereiche. KINLI ist eines von insgesamt fünf Projekten im Bereich Lebensmittelkette und gesundheitliche Ernährung.