Nachdem ich nach langem Überlegen den Entschluss gefasst hatte mein Praxissemester im Ausland zu absolvieren, stand für mich schnell fest, dass es in Irland sein sollte. Ich begann ca. 10 Monate vorher mit den Vorbereitungen und empfehle jedem, der einen Auslandsaufenthalt plant, so früh wie möglich damit anzufangen.
Bei meiner Recherche nach einer geeigneten Praxisstelle wurde ich schnell auf das „Cork Foyer“ aufmerksam, welches sich auf der Nordseite der Stadt Cork, in einem Stadtteil namens Blackpool befindet. Das Cork Foyer bietet Wohnungslosen oder von Wohnungslosigkeit bedrohten jungen Erwachsenen im Alter von 18 – 25 Jahren eine Kombination aus einer sichern und preiswerten Unterkunft (insg. 19 Zimmer inkl. Bad), Unterstützung in allen Problemlagen durch eine individuell erstellte Hilfeplanung sowie verschiedene Schulungen und Weiterbildungsmöglichkeiten.
Ich erwartete von meinem Praktikum einen für mich bisher unbekannten Einblick in die Arbeit mit Jugendlichen/Wohnungslosen zu erhalten, um so herauszufinden, ob dieser Weg einer ist, den ich später einschlagen wollen würde.
Als ich im März 2017 zu meinem ersten Arbeitstag ankam, wurde ich sehr herzlich empfangen. Der Manager und auch alle Mitarbeiter waren sehr offenherzig und hilfsbereit. Bereits nach kurzer Zeit wurde ich in die Organisation und Aufgabenverteilung eingebunden. Meine Anleiterin führte mich schrittweise an die eigenständige Durchführung der beruflichen Aufgaben heran und versuchte zusätzlich, die Verbindung zu den Lerninhalten meines Studiums zu gewährleisten. Sie war sehr engagiert, mir eine große Bandbreite an Kenntnissen und Fertigkeiten zu vermitteln. Sie motivierte mich, Dinge alleine auszuprobieren und half mir, falls ich nicht mehr weiter wusste. Das ganze Foyer-Team war toll! Ob Sozialarbeiter, Administrator oder Manager, jeder nahm sich die Zeit, mir die kleinsten Dinge zu zeigen!
Die Unterkunft und Arbeit die das Foyer anbietet und leistet, wird sehr dringend benötigt. Die Zahl der wohnungslosen Menschen in Irland ist generell sehr hoch, es herrscht ein Mangel an bezahlbaren Wohnungen und viele der wohnungslosen jungen Erwachsenen kommen aus Problemfamilien oder müssen mit 18 Jahren das Kinderheim oder das Haus der Pflegeeltern verlassen und haben nie gelernt, sich selber zu versorgen, Miete zu zahlen oder andere Verpflichtungen zu übernehmen. Im Foyer bekommen sie die Chance, wieder Stabilität in ihr Leben zu bringen und mit Hilfe der Fachkräfte, Schritt für Schritt ihren Weg in eine positive Zukunft aufzubauen.
Dank innovativer Programme, dem sogenannten Independent Living Skills Training – Training zur selbständigen Lebensführung –, werden die Jugendlichen während ihres Aufenthaltes mit den wesentlichen Kenntnissen und Fähigkeiten für eine autonome Lebensführung außerhalb des Foyers ausgestattet. Des Weiteren bieten die Fachkräfte des Foyers auch Informationen, Beratung und Unterstützung bezüglich Dingen wie z.B. persönlichem Wohlbefinden und Gesundheit, Sozialhilfeleistungen, Hilfe bei der Suche nach angemessenen Unterkünften und dem Umzug etc. an.
Da das Cork Foyer in einem großen Netzwerk agiert, bekam ich häufig die Gelegenheit mit anderen zentralen Einrichtungen wie Frauenhäusern, dem Jugendamt oder Drogenberatungsstellen zusammenzuarbeiten. Die mir übertragenen Aufgaben waren nicht nur Hilfsaufgaben – vom Müll austragen, Telefonate annehmen, bis hin zur Risikoanalyse, Beratungsgesprächen oder Begleitung zu Gerichtsverhandlungen: Ich bekam die Möglichkeit bei wirklich allen anliegenden Aufgaben mitzuarbeiten. Meine Meinung und Ideen waren immer willkommen, wodurch ich auch die Möglichkeit der Planung und Realisierung eines eigenen kleinen Fotoprojektes hatte.
Im Cork Foyer wird anerkannt, dass Studierende sich zwar noch in der Ausbildung befinden, jedoch schon einiges an Fach- und Handlungswissen mitbringen. Allgemein herrschte im Foyer eine sehr entspannte Arbeitsatmosphäre. Das Vertrauen in mich und die Wertschätzung meiner Arbeit, nicht nur das der Mitarbeiter, sondern auch der Bewohner, gaben mir ein gutes Gefühl und stärkte mein Selbstbewusstsein bezüglich meines eigenen Könnens ungemein. In den ca. Fünf Monaten, die ich im Foyer verbracht habe, habe ich Einblick in zahllose Bereiche der Sozialen Arbeit erhalten und eine Menge erlebt und gelernt. Ich bin überzeugt davon, dass ich diese Erfahrungen in Zukunft sehr gut nutzen kann.
Auch die Stadt Cork hat viel zu bieten. Sie liegt in der Provinz Munster im Süden Irlands und ist mit ca. 125.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt der Republik Irland. Cork liegt zwischen Hügeln in einem Tal, das der Fluss Lee geformt hat. Der Fluss, der mitten durch die Innenstadt verläuft, mündet nicht weit entfernt in den Atlantik. Hier schmilzt Stadt und Landleben mühelos zusammen. Alles ist recht überschaubar. Ein Gang durch die Stadtmitte dauert nicht lange und dennoch hat Cork die kosmopolitische Kultur und Energie einer Hauptstadt, wo man alle Möglichkeiten findet, die man in einer modernen europäischen Stadt erwarten würde. Dank der großen Auswahl an Kultur und einer Vielzahl von Freizeitaktivitäten wird es in der Studentenstadt Cork niemals langweilig.
Die Highlights der Stadt sind allerdings gemütliche Pubs mit Live-Musik, Restaurants, in denen die frischesten lokalen Zutaten auf den Teller kommen, und die stets freundlichen Einheimischen. Die Gastfreundschaft, Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft der Iren ist wirklich toll. Das Leben hier ist sehr relaxt und gemütlich, die Devise für alles lautet: „it’ll be grand – das passt schon so, alles wird gut“. Die Leute sind lockerer, aufgeschlossener und unkomplizierter und Cork ist die Heimat vieler mehrsprachiger Menschen, mit einem multikulturellen Umfeld, in dem man tolle Erfahrungen sammeln kann.
Die Lebensunterhaltungskosten in Irland, besonders Miete und Lebensmittel, sind im Vergleich zu Deutschland jedoch sehr hoch. In Cork beträgt die Miete für ein Zimmer inkl. Nebenkosten rund 420 Euro, für eine Zwei-Zimmer-Wohnung in der Innenstadt zahlt man rund 900 Euro. Der Einkauf im Supermarkt kostet bestimmt ein Viertel mehr als in Deutschland, aber all das ist machbar, wenn man sich vorher etwas angespart hat oder nebenbei arbeiten geht.
Ich kann jedem einen Auslandsaufenthalt nur empfehlen, egal ob Praktikum oder Studium. All die Eindrücke und Erfahrungen die ich hier sammeln konnte, haben mich nicht nur beruflich, sondern auch persönlich geprägt. Neue Sichtweisen, neue Freunde, neues Selbstvertrauen; die Zeit hier in Irland war einer der wertvollsten, die ich je hatte und ich bin mir fast sicher, dass ich irgendwann wieder zurückgehe.