Die Vorbereitungen
Schon seit Beginn meines Studiums im Jahr 2019 war es mein Wunsch für eine gewisse Zeit in der Londoner Modeindustrie zu arbeiten. Erste Erfahrungen sammelte ich bereits während meines Pflichtpraktikums bei einem Londoner Dienstleistungsunternehmen. Das Leben in der Metropole gefiel mir sehr und mich reizte es, nach Absolvierung des Pflichtpraktikums, weitere Einblicke in die britische Bekleidungsbranche zu gewinnen. Zu diesem Zeitpunkt fehlte mir nur noch die Bachelorarbeit, um mein Studium abzuschließen. Mein Plan war es also, ein Londoner Unternehmen zu finden, bei dem ich im Rahmen eines Praktikums ein Projekt entwickeln durfte, welches als praktischen Teil meiner Bachelorarbeit dienen würde. Ich hatte mir ein sehr hohes Ziel gesteckt…
Die Bedingungen hatten sich seit Brexit erschwert: Um als deutsche Studentin in Großbritannien arbeiten zu dürfen ist eine Arbeitserlaubnis und damit einhergehend ein Visum notwendig. Jedoch war ich mir dessen bewusst, da ich diesen Prozess schon für mein erstes Praktikum in Großbritannien durchlaufen hatte. Ich wusste, dass die Organisation viel Zeit und Energie in Anspruch nehmen würde.
Ich startete mit der Suche einer Praktikumsstelle. Vivienne Westwood Ltd. war mir natürlich bekannt als eines der bedeutendsten britischen Modeunternehmen. Außerdem hatte ich gehört, dass das Team ein sehr diverses und internationales sei. Es hieß, dass das Unternehmen eine enge Beziehung mit deutschen Fachkräften pflegte. Ich versuchte mein Glück und bewarb mich auf die Stellenausschreibung „Internship Pattern Cutting Haute Couture-/Bridal Department“. Zunächst erhielt ich eine Absage, da das Unternehmen bei dem Visa-Prozess Student:innen nicht unterstützten konnte. Als ich dann der Personalabteilung versicherte, dass ich selbstständig bei der UK Government das Visum beantragen würde, nahm der Bewerbungsprozess seinen Lauf. Ich wurde zu einem persönlichen Bewerbungsgespräch in das Head Office eingeladen. Das Interview verlief sehr positiv. Als ich die Zusage bekam konnte ich es kaum fassen! Der nächste Schritt war die Beantragung des Visums. Wie schon erwartet, war der Prozess sehr aufwändig, aber letztendlich erhielt ich meine Arbeitserlaubnis für Großbritannien und ich kam meinem Ziel näher.
Durch die Informationsveranstaltungen des International Offices, an denen ich zuvor teilgenommen hatte, wusste ich, dass es örderungsmöglichkeiten für mein Vorhaben gab. Nach einem Beratungsgespräch mit Frau Katharina Tsang reichte ich meine
Dokumente zur Bewerbung des Stipendiums ein – mit Erfolg. Für die großzügige finanzielle Unterstützung des PROMOS-Programms war ich sehr dankbar, denn die Ausgaben, die man in einer Metropole wie London hat, sind nicht zu unterschätzen. Zuletzt buchte ich ein Zimmer in einem Studentenwohnheim in London und den Flug. Damit waren alle Vorbereitungen getroffen und das Abendteuer konnte beginnen!
Das Praktikum
Vivienne Westwood war eine britische Designerin, die mit ihrer Mode der Punkszene in den 1970er-Jahren berühmt wurde. Besonders hervorzuheben war ihr Engagement für viele Initiativen im Bereich von Menschenrechte, Abrüstung und Umweltschutz.
Heute werden die von Westwood gelebten Werte im Unternehmen umgesetzt und in der Mode zum Ausdruck gebracht.
Im Frühling 2023 begann ich das lang ersehnte Praktikum bei Vivienne Westwood Ltd. in der Haute Couture- und Brautmodenabteilung.
Für die nächsten sechs Monate arbeitete ich im Atelier des Head Offices in Battersea, mitten in London. In dem Gebäude hatten rund 300 Mitarbeiter:innen ihren Arbeitsplatz und die unterschiedlichsten Abteilungen waren hier untergebracht, wie das Design, das Atelier, die Buchhaltung, das Marketing, das Archiv und viele weitere. Von dem Bewerbungsgespräch kannte ich bereits die Räumlichkeiten und meine
Supervisorin. Ich freute mich sehr auf die kreative Arbeitsatmosphäre und war gespannt weitere Kolleg:innen kennenzulernen.
Am ersten Tag wurde ich von meinem internationalen, diversen, dreizehnköpfigen Team herzlich empfangen und die Abläufe im Unternehmen wurden mir ausführlich erklärt. Die „Senior Pattern Cutter“ arbeitete mich ein und erteilte mir Aufgaben. Mit der Zeit wurde ich vertraut mit den täglichen Prozessen der Abteilung. Nach wenigen Wochen entwickelten meine Supervisorin und ich gemeinsam ein Konzept für ein Nachhaltigkeitsprojekt der Brautkleider von Vivienne Westwood Ltd. Dieses würde anschließend als eine Kampagne für das Unternehmen und als
Grundstein meiner Bachelorarbeit dienen. In den folgenden Monaten arbeitete ich eigenständig an dem Projekt: Ich erstellte Entwürfe, entwickelte
Verarbeitungsmethoden, konstruierte Schnitte und nähte Nesselproben. Regelmäßig hielt ich Rücksprache mit meiner Supervisorin. Wir besprachen Zwischenstände, analysierten Designs und die Passform während Anproben. Dem geforderten schnitttechnischen Knowhow konnte ich schnell gerecht werden. Die Basis dafür waren meine Kenntnisse aus dem Studium. Ich war fähig mir selbstständige eines fremdes CAD-System anzueignen, Zusammenhänge von Skizze und Schnitt zu erkennen und industriellen Abläufen zu verstehen. Gleichzeitig wurde
mir die Komplexität der Entwicklung eines Produktes in einem Unternehmen wie Vivienne Westwood Ltd bewusst. ist. Jedes Kleidungsstück ist ein Kunstwerk und die Spitze des Hochdesigns. Es verging kein Tag an dem ich etwas Neues lernte. Ich hatte die großartige Chance in unterschiedliche Abteilungen reinzuschnuppern, mit Experten des Unternehmens zu arbeiten und unbekannte Felder der Modeindustrie zu
entdecken.
Ein weiteres Highlight des Praktikums war die Paris Fashion Week. Bei der Modenschau der Spring-Summer 2024 Kollektion durfte ich das Team nach Paris begleiten und im Backstage-Bereich unterstützen. Dies war ein unvergessliches Erlebnis! Ich wuchs an neuen Herausforderungen, war beeindruckt von der Kreativität im Unternehmen und der Hochwertigkeit der Produkte. Zum Ende des Praktikums hatte ich das Nachhaltigkeitsprojekt erfolgreich abgeschlossen und war stolz viele Herausforderungen bewältigt zu haben. Über die Zeit war ich ein vollwertiges Teammitglied geworden war, fühlte mich sehr wohl und hatte mit Kolleg:innen Freundschaften aufgebaut. Der Abschied fiel schwer…
Zusammenfassend war das Praktikum bei Vivienne Westwood Ltd. eine großartige Erfahrung! Es war eine tolle Möglichkeit einen tieferen Einblick hinter die Kulissen der britischen Modewelt zu erhalten und Inspirationen für meinen beruflichen Werdegang zu sammeln. Während der Zeit haben sich viele Türen für meine Zukunft geöffnet.
Das Leben in London
Mit der Zusage des Praktikums und der Bestätigung meines Visumantrags wurde mein Traum war eines Tages für Vivienne Westwood Ltd. in London zu arbeiten und leben. Meine Erwartungen an die multikulturelle Stadt wurden nicht enttäuscht… Ab Beginn meines Aufenthalts war ich begeistert von dem Leben in der Metropole. In London sind den Möglichkeiten keine Grenzen gesetzt, von dem kulturellen Angebot über berufliche Perspektiven, der kulinarischen Auswahl bis hin zu sportlichen
Aktivitäten. In jedem Stadtteil findet man wunderschön angelegte Parks, gemütliche Straßen und nette Geschäfte. In die britische Pub-Kultur kann man „an jeder Ecke“ eintauchen und die Vielfalt an Einkaufmöglichkeiten sind unendlich. Die Stadt ähnelt der Superlative. An den Wochenenden kostete ich die vielen Angebote Londons aus und ließ mich von der facettenreichen Metropole inspirieren. Eine weitere bereichernde Erkenntnis während meines Auslandssemesters war, welch enorme Diversität und große Toleranz in der Stadt herrscht. Obwohl der Großteil der
Bevölkerung Londons nicht britischer Herkunft ist, spürte ich, dass London das Zuhause jedes:jeder einzelnen sein kann. Der Umgang miteinander ist respektvoll und freundlich. Viele unterschiedliche Sprachen werden untereinander gesprochen, doch miteinander kommuniziert man auf Englisch. Von Beginn an fühlte ich mich willkommen und es fiel mir leicht mich in London einzuleben. Jetzt habe ich Freund:innen aus dem Libanon, Argentinien und Italien. Wir tauschen uns über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede unserer gebürtigen Kulturen aus.
Zusammenfassend war mein Auslandsaufenthalt eine prima Chance neue Menschen, Orte und Kulturen kennen zu lernen und meine englischen Sprachkenntnisse auszubauen. Ich hoffe, dass meine Begeisterung zu meinem Praktikum in London in diesem Bericht zum Ausdruck kommt und ich den:die einen:eine oder anderen:andere für einen Auslandsaufenthalt motivieren kann. Denn ich bin der Überzeugung, dass die Kombination aus fachlicher und persönlicher Erfahrung unschlagbar für die eigene Entwicklung ist. Zuletzt möchte ich dem International Office der Hochschule Niederrhein, besonders Frau Tsang, danken. Nicht nur für die großzügige finanzielle Unterstützung durch das PRMOS-Programms, sondern auch für die persönliche Beratung. Beides war eine große Hilfe und habe ich sehr wertgeschätzt.