Für das sechste Semester meines Studiums an der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach im Bereich Textile and Clothing Management habe ich mich für ein Praktikum im Ausland entschieden. Mit einem Praktikum im Ausland konnte ich sowohl Auslandsaufenthalt als auch weitere Praxiserfahrungen miteinander verbinden.
Ein Praktikum bei Hugo Boss schwebte mir seit der „MG zieht an“ 2015 im Kopf herum, als ich mich damals mit den Vertretern der Firma auf der Messe über Möglichkeiten eines Auslandspraktikums unterhalten habe. Daraufhin bewarb ich mich im Herbst vergangenen Jahres auf die im Internet ausgeschriebenen Praktikastellen für das Büro in New York. Nach zwei Telefoninterviews bekam ich die Zusage für eine Stelle im Wholesale Bereich. Damit begann das große Abenteuer New York für mich.
Mit der Zusage zum Praktikum in Amerika stand ich vor der für mich größten und nervenaufreibendsten Herausforderung: Der Visums-Antrag. Denn für das J1 Visum, werden unter anderem mehrere Referenzschreiben von Professoren oder früheren Arbeitgebern, ein Motivationsschreiben für den Aufenthalt, Arbeitsvertrag für das Praktikum vor Ort, ein Nachweis über Sprachkenntnisse sowie eine Bescheinigung für eine ausreichende Krankenversicherung und der finanziellen Unterstützung gefordert. Der Termin vor Ort bei der amerikanischen Botschaft in Frankfurt war dann eher unkompliziert und auch das bestätigte Visum kam, schneller als erwartet, innerhalb weniger Tage per Post bei mir zu Hause an.
Netterweise haben die vorherigen Praktikanten von Hugo Boss eine Liste von ihren Unterkünften zusammengestellt aus denen ich mich für das Webster Apartments Haus entschieden habe. Die Unterkunft ist, wie fast alles in New York, nicht besonders günstig. Jedoch sind in den rund 1500 Dollar Miete (für ein winziges Zimmer mit gemeinsamem Badezimmer) Frühstück und Abendessen enthalten, es gibt wöchentliche Veranstaltungen wie Sportkurse und Filmabende, rund um die Uhr Security und die Lage in Midtown/Hell’s Kitchen Manhattan mit Blick auf das Empire State Building ist einfach unschlagbar. Mit einem Schritt aus der Tür raus steht man sofort in Mitten des Trubels und kann alle zentralen Orte der Stadt super schnell erreichen.
New York als eine der größten Modemetropolen weltweit schien für mein Praxissemester der perfekte Ort zu sein. Die Stadt ist nicht nur unglaublich groß und laut, sondern bietet auch unheimlich viel Kultur und zahlreiche Aktivitäten und das rund um die Uhr. Shoppen kann man von Montag bis Sonntag, Brunchen von morgens bis abends und verrückte Dinge erlebt man zu jeder Tageszeit. Auch wenn New York ein durchaus kostspieliges Vergnügen ist, bietet die Stadt auch reichlich Vergnügen ganz umsonst. Ein Besuch in den zahlreichen Kunst Galerien in Chelsea oder der MET, eine Streetart-Tour entlang der Graffitis in Brooklyn, ein Spaziergang durch den Central Park, ein Konzert von unglaublich talentierten Musikern in den U-bahnstationen oder eine Fahrt mit der Staten Island Ferry vorbei an der Freiheitsstatue – ist alles möglich ohne einen einzigen Dollar in der Tasche.
Was mir besonders gut an der Stadt gefällt ist ihre unheimliche Vielfalt und Toleranz gegenüber Andersartigkeiten. Jeder findet hier ein Lokal in dem die jeweilige Lieblingsmusik live gespielt wird oder ein Restaurant, dass das Lieblingsessen, aus welchem Land auch immer, authentisch zubereitet. Dieses Überangebot kann einen durchaus auch überfordern, aber wenn man es zu nutzen und schätzen weiß, kann man sehr viel entdecken. Ein absolutes Highlight für mich waren die „Speakeasy“-Bars, die sich überall in der Stadt verstecken. Sie sind ein Überbleibsel aus der Zeit der Alkoholprohibition in den USA. Die damals illegalen Lokale sind auch heute von außen meist sehr unscheinbar, aber kaum hat man sie betreten fühlt man sich gleich in die 20er Jahre zurück versetzt. Teilweise werden Wein und Cocktails heute noch in Tassen serviert und das Bier mit einer braunen Papiertüte versteckt. Dazu gibt es Live-Jazz, Burlesqueshows oder einen Crash-Kurs im Swing tanzen.
Neben New York City selber, habe ich meinen Aufenthalt in den USA genutzt um ein paar Ausflüge in die „nähere“ Umgebung gemacht. Washington D.C. und auch Philadelphia sind nur 4-5 Stunden mit dem Bus von der Stadt entfernt und Tickets dafür bekommt man schon ab ca 15 Dollar. Die Fahrt in die Hamptons ist kürzer aber etwas teurer. Mit dem Jitney-Bus bezahlt man am Wochenende ca. 50 Dollar, die sich meiner Meinung nach an einem schönen Sommertag auch lohnen, da der Strand dort wirklich schön und die Villen durchaus sehenswert sind.
Ein Ausflug nach Hoboken, New Jersey, oder zum Rockaway Beach in Brooklyn reicht allerdings auch schon um ein wenig Abstand von dem Tubel der Stadt zu bekommen.
Mein Praktikum in New York habe ich bei Hugo Boss gemacht. Das deutsche Unternehmen mit Sitz in Metzingen hat in Downtown Manhattan ein Corporate Office, welches sich um den amerikanischen Markt inklusive Kanada und Südamerika kümmert. Das Büro und damit mein Arbeitsplatz für die 6 Monate befindet sich in der Nähe der Wallstreet im 48st Stock. Neben den fast 30 anderen Praktikanten, die gleichzeitig mit mir dort angefangen haben, arbeiten dort ca. 200 Angestellte in einem Großraumbüro.
Die Wholsale Abteilung benutzt neben dem eigentlichen Büro auch den angrenzenden Showroom für jegliche Termine mit Kunden und zur Präsentation der Kollektion. Mein Team (Wholesale Womenswear) hat mich von Anfang an typisch amerikanisch sehr offen und freundlich empfangen. Ich wurde schnell in das Team integriert und durfte sowohl bei den wichtigen Terminen im Showroom als auch bei Store Besuchen unserer Kunden (Nordstrom, Saks Fifth Avenue, Bloomingdales…) teilnehmen und mein Team unterstützen. Das gesamte Büro hat mich und all die anderen Praktikanten sehr freundlich aufgenommen. Wir wurden alle schnell integriert und auf „Farewell Partys“ oder zur „Happy Hour“ eingeladen. Auch die Tatsache, dass ich zusammen mit fast 30 anderen Praktikanten dort angefangen habe, war ein großes Glück für mich. Die Firma selber hat Wert darauf gelegt, dass wir uns untereinander kennen lernen und wir konnten so gemeinsam ein halbes Jahr lang die Stadt erkunden.
Neben den jeweils eigenen Aufgaben in den Abteilungen haben auch alle Praktikanten immer die Möglichkeit gehabt bei unseren sogenannten „Lunch and Learns“ sich mit einem der Topmanager auszutauschen und mehr über die anderen Abteilungen, die Person und die Firma zu lernen.
Getreu der amerikanischen Kultur wurde auch jede Woche der „Casual Friday“ zelebriert. Der Tag beginnt mit einem „Happy Friday!“ zur Begrüßen und getreu dem Motto darf man auch freitags ausnahmsweise selbst in der Nähe der Wallstreet Jeans und Sneaker tragen. Das Radio in unserem Büro läuft an diesem Tag dann ein bisschen lauter und die meisten Leute scheinen tatsächlich entspannter. Auch wenn es wie in Deutschland klare Hierarchien gibt ist der Umgang unter den Mitarbeitern zumindest oberflächlich deutlich lockerer. So passiert es öfter mal, dass unser CEO mal eben die Putzfrau mit einem Kuss auf die Stirn begrüßt und uns Praktikanten mit Handschlag abklatscht.
Über andere Sachen lässt der eher lockere Umgang in den Büros jedoch nicht hinwegtäuschen. Die Regeln in der Arbeitswelt unterscheiden sich doch deutlich von den durchaus gut abgesicherten deutschen Arbeitsplätzen. Während meiner Zeit dort sind auf Grund von generellen Umstrukturierungen viele Manager entlassen oder neu eingestellt worden und das häufig von einen Tag auf den anderen. Es gibt auch deutlich weniger Urlaubstage für die Angestellten und bei einer kurzfristigen Kündigung gibt es in den seltensten Fällen eine Versicherung, die den Arbeitnehmer auffängt. Diese Fakten bekommt man allerdings im Alltag sonst nicht so stark zu spüren beziehungsweise habe ich sie als Praktikant nicht verstärkt wahrgenommen. Jedoch ergibt die große Zahl der Obdachlosen auf den Straßen New Yorks Sinn, wenn man bedenkt wie schnell man hier in die Armut abstürzen kann.
Zum Abschluss meines Praktikums hat die Firma sogar eine kleine Abschiedsparty mit Drinks und Pizza geschmissen, was mir nochmal deutlich gemacht hat, wie sehr auch unsere Arbeit und Unterstützung im Unternehmen geschätzt wurde. Auch mein kleines Team hat sich die Mühe gemacht mich mit Kuchen, Karte und Geschenk zu verabschieden, so dass ich die Firma definitiv mit mindestens einem weinenden Auge verlassen habe.
New York, als Stadt, hatte es mir schon nach kurzer Zeit angetan. Die endlosen Möglichkeiten und das unendliche Angebot waren jeden Tag aufs Neue ein kleines Abenteuer für sich. Ich schätze mich sehr glücklich meine Zeit in New York und das Arbeiten bei Hugo Boss mit einer großen Gruppe an anderen Praktikanten geteilt zu haben, die während dieser Monate zu engen Freunden geworden sind. Die sechs Monate New York sind wie im Zeitraffer an mir vorbei gezogen. Mein Aufenthalt in New York ist so vollgepackt mit aufregenden Erlebnissen und einschneidenden Erinnerungen. Ich bin sehr glücklich über alle Erfahrungen, die ich dort gesammelt habe, und war jede Sekunde dankbar für diese großartige Chance. Während meiner Zeit dort habe ich nicht nur im Hinblick auf mein Studium Praxiserfahrungen gesammelt und meine Englisch Kenntnisse verbessert, sondern auch unheimlich viele Eindrücke von einer sehr inspirierenden Stadt und deren Menschen mitgenommen, sowie eine andere Kultur kennengelernt. Ich würde auch rückblickend alles genauso wieder machen und kann es nur jedem, der darüber nachdenkt etwas Ähnliches zu tun, wärmstens empfehlen. Dieses Abenteuer kann mir niemand mehr nehmen und es war alle Strapazen und jeden Cent wert.