Ich studiere im fünften Semester Kommunikationsdesign. Im Laufe der bisherigen Studien interessierte ich mich neben grafischer Kunst und Schreiben (Journalismus, Marketing Copy und Fiktion) vor allem für zwei Felder der Gestaltung: Film und Gesellschaft. Auf den ersten Blick ein breites Spektrum.
Als ich im Sommer 2016 zum Besuch zweier Kurzfilmfestivals in Sydney, Australien, eingeladen wurde, war mir klar, dass die richtige Zeit für ein Praktikumssemester gekommen war. Denn um im Januar und Februar 2017 in Australien reisen und lernen zu können, würde ich das Pensum eines Semesters in kürzerer Zeit erfüllen müssen. Der einzige Weg - ein Praktikum in den davor liegenden Monaten!
Das klang für mich so gar nicht wie ein Preis, den ich zum Bereisen und Studieren der Welt würde bezahlen müssen, sondern viel eher wie eine doppelte Einladung. Erst geht es täglich um echte Arbeit außerhalb der lerntechnisch vorerst hilfreichen „Universität“. Und danach geht es anderswo, etwas weiter weg, auch täglich um echte Arbeit… fantastisch!
Dank der Beratung des zuständigen Prof. Dr. Beucker am Kompetenzzentrum Social Design des Fachbereichs Design stieß ich auf das globale Netzwerk der Impact Hubs. Diese Hubs funktionieren wie Entwicklungskokons für junge, sozial und ökologisch verantwortungsbewusste Unternehmen. Die meisten dieser Firmen erleben in Impact Hubs ihre Geburt und anfängliche Entwicklung.
Weil ich seit einem früheren Besuch dort Menschen mochte, die spanische Sprache spannend fand und mir ein Aufenthalt im Ausland dank Erasmus+ finanzierbar erschien, entschied ich mich für den Impact Hub Barcelona.
Ein dringender Hinweis an alle Studenten, die ein Erasmus+ Auslandspraktikum vorhaben: früh bewerben, früh einen Überblick über den notwendigen Papierkram gewinnen, alles früh ausfüllen und abschicken. Bei Kommunikation per E-Mail mit vier involvierten Parteien (Student, betreuuender Professor, Koordination der Hochschule in Deutschland und dem Unternehmen im Ausland) kann es ohne viel Zutun zu kleinen und großen Verzögerungen und Missverständnissen kommen.
Das Leben in Barcelona war zu Beginn sowohl wunderschön als auch herausfordernd.
Mein (bereits bezahltes) zentral gelegenes WG-Zimmer stellte sich als gründlich ausgeführter Betrug heraus. Auch die Kommunikation mit meinen neuen Vorgesetzten war anfangs unpersönlich und verwirrend. Ich fühlte mich in andere Bereiche versetzt als ursprünglich beabsichtigt und erhielt eher Befehle als Aufgaben. Das Team vor Ort schien unter Druck. Es machte mich unglücklich, meine positiven Vorstellungen so unerwachsen beantwortet zu sehen.
Ich entschied, vorerst weiterzumachen, denn die Nachteile wären für mich beim Aufhören größer gewesen als die Vorteile. Bei vorzeitigem Abbruch ist eine Rückzahlung der Förderung nötig und dazu kommen Abreise, Flugkosten, Logistik, früher Abschied von allen angenehmen Bekanntschaften und ein halb angebrochenes, halb abgebrochenes Semester. Diese Entscheidung war ganz besonders für mich die richtige. Schon zwei Wochen später fanden große Veränderungen statt, einige Menschen verließen den Arbeitsort, andere erschienen und engagierten sich stark. Ich arbeitete innerhalb kurzer Zeit unter völlig anderen Bedingungen. Eine Neugestaltung der lokalen Strukturen begann und ich wurde integraler Bestandteil davon.
Um anderen eine Situation wie meine anfängliche zu ersparen, weise ich darauf hin, wie wichtig es ist, möglichst viel über den Zielort herauszufinden. Das findet sich auf deren Website höchstens zwischen den Zeilen. Es geht darüber hinaus, “seine Hausaufgaben zu machen” und alle Namen und Titel zu kennen. Diese Art von Recherche gibt uns kein Lehrer auf, sie sollte in eigenem Interesse so intensiv wie möglich durchgeführt werden. Wenn man nach dem Bewerbungsgespräch Fragen stellen kann, sollte man das unbedingt tun – und vielleicht gar genauer zurückfragen als man selbst gefragt und untersucht wurde. Die Stimmung vor Ort, die Kommunikation, die Qualität der Ergebnisse im Verhältnis zur Arbeit sind wichtig. Vorher mehrfach mit dem Koordinator beim Praktikumsplatz zu skypen und gründlich alle Fragen zu stellen, kann helfen.
“Wofür ist mein Semester gut genug” ist die falsche Frage, oder sollte zumindest nicht die einzige sein. Die Suche nach dem richtigen Ort ist ernstzunehmen. Manchmal heißt es da besser, “was ist gut genug für mein Semester?” Oder kann ich es sogar selbst dazu machen? Wenn echtes Selbermachen nicht zu erwarten ist, ob bei einer Reinkarnation oder im üblichen Praktikantentag, dann kann es weder zu einer optimalen Lernerfahrung noch zu effektiver Arbeit werden.
Es gibt sie, die guten Praktika. Ich hatte ein solches und lernte dabei viel über die Welt, über die Unternehmer, die sie retten wollen, und über mich selbst.