Viele Bibliotheken machen derzeit Bilder historischer Musikdrucke auf ihren Internetseiten verfügbar, wie z.B. die Königliche Bibliothek Dänemarks, die Bayerische Staatsbibliothek, oder die Sächsische Landesbibliothek. Für ausübende Musiker und für Quellenforscher sind diese "Online-Faksimiles" eine unschätzbare Ressource, die allerdings immer eine Interpretation durch einen menschlichen Leser erfordern. Eine inhaltsbasierte automatische Suche ist in diesen Sammlungen nicht möglich, weil die "Faksimiles" keine Musikkodierung, sondern nur farbige Bildpunkte enthalten.
Für historische Lautentabulaturen, eine im 16. Jh. verbreitete Musiknotation, baut nun ein Projekt der University of London unter Leitung von Prof. Tim Crawford eine neuartige Sammlung auf, den "Electronic Corpus of Lute Music" (ECOLM). Darin sollen nicht nur Bilder, sondern auch der musikalische Inhalt gespeichert werden. Dies ermöglicht nicht bloß das Ansehen der historischen Quellen, sondern auch inhaltsbasierte Suchen, wie z.B. nach bestimmten Melodiesequenzen, oder eine automtisierte Suche nach Ähnlichkeiten zwischen Stücken. Das Projekt wird gefördert vom britischen "Arts and Humanities Research Council".
Zur Gewinnung des musikalischen Inhalts aus den Tabulaturbildern ist eine spezielle Mustererkennungssoftware nötig, die von Prof. Dr. Christoph Dalitz im iPattern-Institut der Hochschule Niederrhein entwickelt wird. Dalitz beschäftigt sich schon seit 2005 mit der automatischen Erkennung historischer Tabulaturdrucke und hat mehrere Fachartikel zu diesem Thema publiziert. Dadurch sind die Londoner Musikwissenschaftler auf seine Arbeiten aufmerksam geworden und an ihn mit der Bitte herangetreten, die im iPattern-Institut entwickelte Software an die Bedürfnisse des ECOLM-Projekts anzupassen. Ein entsprechender Kooperationsvertrag wurde kürzlich unterzeichnet.