Welche Rolle spielt die Humankapitalbildung in der modernen Wirtschaft und warum ist sie für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes so entscheidend?
"Das ist eine sehr interessante Frage", beginnt Professor Wenke. "Humankapital ist für die moderne Wirtschaft von zentraler Bedeutung. In Deutschland ist es ausschlaggebend da es die Basis für Innovation und technologischen Fortschritt bildet. Die Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten der Beschäftigten sowie derjenigen im Management ist essenziell, um neue Technologien und Prozesse zu entwickeln. Humankapital trägt zu Innovationen des Sachkapitals bei und ermöglicht die effektive Kombination von Produktionsfaktoren zur Optimierung der Leistungsprozesse. In Deutschland, wo natürliche Ressourcen begrenzt sind bzw. aus Klimaschutzgründen nicht mehr genutzt werden sollen, ist die Förderung von Humankapital entscheidend, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und künftige Herausforderungen zu bewältigen."
Wie können Unternehmen und Regierungen zusammenarbeiten, um die Qualifikationen der Arbeitnehmer besser zu fördern?
"Ich denke, hier haben wir in den letzten zwei Jahrzehnten große Fortschritte gemacht. Die Zusammenarbeit zwischen Hochschulen, Universitäten und Unternehmen hat sich erheblich verbessert", erklärt Professor Wenke. "Hochschulen sind nicht mehr isolierte Elfenbeintürme, sondern arbeiten aktiv mit der Wirtschaft zusammen, um praxisnahe Ausbildung und Forschung zu ermöglichen. Unternehmen haben erkannt, dass die Kooperation mit Bildungsinstitutionen notwendig ist, um Zugang zu qualifiziertem Humankapital zu erhalten. Insbesondere im Kontext des demografischen Wandels und des zunehmenden Wettbewerbs um Talente ist es wichtig, dass diese Partnerschaften weiter ausgebaut werden. Ausbildungsintegrierte Studiengänge und projektbasierte Arbeiten bieten große Vorteile und sollten verstärkt gefördert werden."
Welche Maßnahmen zur Förderung der Humankapitalbildung haben sich als besonders erfolgreich erwiesen?
"Erfolgreich haben sich insbesondere anwendungsbezogene Studiengänge und praxisnahe Projekte erwiesen, die in enger Kooperation mit Unternehmen durchgeführt werden. Diese Ansätze verbinden theoretisches Wissen mit praktischen Erfahrungen und fördern so eine direkte Anwendung im Arbeitsumfeld. Ausbildungsintegrierte Programme und projektbasierte Arbeiten schaffen Synergien, die über das hinausgehen, was einzelne Institutionen allein erreichen könnten. Der Ausbau solcher Maßnahmen würde die Praxisrelevanz der Ausbildung weiter steigern und den Transfer von Wissen und Fähigkeiten in die Wirtschaft verbessern."
Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Umsetzung von Programmen zur Weiterbildung und Umschulung von Arbeitnehmern?
"Das ist eine der größten Hürden, die ich sehe", gibt Professor Wenke zu. "Große Herausforderungen bestehen z.B. darin, dass qualifizierte Arbeitskräfte in Unternehmen immer weniger Zeit für Weiterbildung haben. Unternehmen legen den Fokus oft auf kurzfristige Projekte und vernachlässigen dabei die langfristigen Vorteile von Investitionen in die Weiterbildung. Ein weiterer Punkt ist der Druck auf Mitarbeitende, den aktuellen Anforderungen gerecht zu werden, was oft wenig Raum für persönliche und berufliche Weiterentwicklung lässt. Unternehmen sollten mehr Zeit und Ressourcen für die Weiterbildung bereitstellen, um langfristig von qualifizierten Mitarbeitenden zu profitieren."
Wie wirkt sich die Digitalisierung auf die Arbeitsplätze und die Nachfrage nach neuen Kompetenzen aus?
"Auch das ist eine spannende Frage, und ich kann nur sagen: Die Auswirkungen der Digitalisierung sind erheblich und gehen weit über das hinaus, was man vor einigen Jahren erwartet hat. Die Anforderungen an digitale Kompetenzen steigen rapide. Selbst in wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen müssen digitale Inhalte stärker integriert werden, um sicherzustellen, dass Absolventen auf die aktuellen Herausforderungen vorbereitet sind. Unternehmen müssen ihre Mitarbeitenden kontinuierlich weiterbilden, um mit den technologischen Entwicklungen Schritt zu halten und wettbewerbsfähig zu bleiben."
Was sind die größten Hindernisse für die nachhaltige Verbesserung des Humankapitals in Deutschland und Europa?
"Wenn ich ehrlich bin, ist eines der größten Hindernisse die rückständige Bildungsinfrastruktur, und das beginnt bereits im Kindergarten, und zieht sich über die Grundschulen bis in die weiterführenden Schulen", sagt Professor Wenke mit einem kritischen Blick. "Was die Hochschulen und Universitäten betrifft, so würde ich den Abstand zu den führenden Ländern wie die in Skandinavien als nicht ganz so groß ansehen. Die Qualitätsunterschiede im schulischen Bereich haben auch mit den erheblichen Defiziten im Bereich der Digitalisierung vor allem in den Schulen zu tun. Insgesamt liegt Deutschland beim Digitalisierungsindex lediglich im Mittelfeld der Länder in Europa, was für eine führende Volkswirtschaft ein ernstzunehmendes Problem darstellt. Es besteht ein erheblicher Nachholbedarf, um die Bildungsinfrastruktur zu modernisieren und eine Grundlage für die kontinuierliche Verbesserung des Humankapitals zu schaffen."
Wie wichtig ist die Schaffung eines gesunden Arbeitsumfelds für die Entwicklung und Nutzung des Humankapitals?
"Das kann man gar nicht hoch genug einschätzen", betont Professor Wenke. "Ein gesundes Arbeitsumfeld ist von entscheidender Bedeutung, insbesondere angesichts des Fachkräftemangels. Fachkräfte werden zunehmend überbeansprucht, was zu hohen Krankenständen und Burnout führt. Die Schaffung von Rahmenbedingungen, die eine ausgewogene Work-Life-Balance ermöglichen, ist essenziell, um die Produktivität der Beschäftigten langfristig zu sichern. Der Vorstellung übrigens, dass die jüngere Generation weniger belastbar ist, stimme ich explizit nicht zu. Vielmehr ist diese Generation oft schon stark gefordert und benötigt eine nachhaltige Unterstützung."
Wie beurteilen Sie die Strategie einer Vier-Tage-Woche?
"Die Vier-Tage-Woche kann aus Unternehmenssicht nur erfolgreich sein, wenn die Produktivität so stark steigt, dass der Arbeitsumfang auch entsprechend bewältigt werden kann. Produktivitätsgewinne sind aus Arbeitnehmersicht allerdings häufig mit einer weiteren Verdichtung der Arbeit in kürzerer Zeit verbunden, was dann zu zusätzlichem Stress führt. Ohne zusätzliche Mitarbeitende oder eine umfassende Automatisierung der Arbeitsprozesse könnte eine Vier-Tage-Woche zu Überforderung und Erschöpfung führen. Ein verlängertes Wochenende bringt wenig Nutzen, wenn der Workload in vier Tagen bewältigt werden muss, der normalerweise auf fünf Tage verteilt ist."
Welche Strategien können helfen, steigende Arbeitslosigkeit durch bessere Bildungs- und Umschulungsmaßnahmen zu bekämpfen?
"Es gibt weiterhin ein ungenutztes Potenzial an Arbeitskräften. Eine gezielte Ansprache und Motivation, kombiniert mit dem Prinzip des Forderns und Förderns, könnten helfen. Dabei sollte ein Anreizsystem geschaffen werden, das Engagement belohnt: Wer sich bemüht, wird unterstützt und gefördert. Gleichzeitig sollten finanzielle Anreize reduziert werden, wenn keine Motivation gezeigt wird. Diese Maßnahmen könnten dazu beitragen, Arbeitslose besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren."
Wie sehen Sie die Zukunft des Arbeitsmarkts in den nächsten zehn Jahren, insbesondere in Bezug auf die Entwicklung von Kompetenzen und den Wettbewerb?
"Das ist eine der Schlüsselfragen unserer Zeit. Der Arbeitsmarkt steht vor großen Herausforderungen, insbesondere durch den demografischen Wandel, der zu einem Rückgang der verfügbaren Fachkräfte führt. Es ist unerlässlich, den Anteil der Erwerbspersonen, die gut qualifiziert sind, zu erhöhen. Deutschland muss Strategien entwickeln, um auch Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen. Dazu ist eine drastische Reduzierung der Bürokratie notwendig, die immer wieder in Diskussionen gefordert wird. Die Fähigkeit, Talente zu fördern und einzubinden, wird entscheidend sein, um die Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern."