Grevenbroich, 11. Dezember. Das textile Erbe wird in dem unscheinbaren Grevenbroicher Ortsteil Neukirchen bewahrt. Dort, in der zweizügigen Jakobus-Grundschule, wirbelt die 24-jährige Jennifer Jandoo freitagnachmittags zwischen den Schülerinnen und Schülern der ersten bis vierten Klasse herum und erklärt ihnen, wie Häkeln funktioniert. Die 17 Schüler haben einen Faden eines Wollknäuels vor sich liegen, der an einem Ende an einer vollen Wasserflasche befestigt ist und am anderen Ende von einer Häkelnadel gehalten wird.
„Wenn die Generation der 1930er und 1940er Jahrgänge stirbt, nehmen sie die Fähigkeit zu häkeln mit ins Grab. Dann ist diese Fertigkeit für immer verloren. Das will ich verhindern“, sagt Jennifer Jandoo, die am Fachbereich Textil- und Bekleidungstechnik der Hochschule Niederrhein den Master Textile Produkte studiert. Ihr Projekt hat aber noch einen zweiten Aspekt: Die Kinder häkeln nämlich Mützen, die mit einer fluoreszierenden Oberfläche ausgestattet sind. Diese reflektiert das Licht, wenn sie angestrahlt wird.
Die achtjährige Pia ist mit Begeisterung bei der Sache. „Ich mache mit, weil ich Häkeln lernen will“, sagt sie und zeigt stolz ihre angefangene lilafarbene Mütze. Jennifer Jandoo erklärt derweil, warum sie das Häkeln für Grundschulkinder für ideal hält: „Es ist grober als Stricken und somit einfacher für die Hand-Kopf-Koordination. Die Kinder haben die Chance, dadurch etwas wirklich Eigenes zu schaffen. Und sie beschäftigen sich über einen Zeitraum von mehreren Wochen mit einem Thema und bringen dieses schließlich auch zu Ende.“ Außerdem schätzt sie den therapeutischen Wert der Arbeit. „Die größten Störenfriede erleben Sie plötzlich ganz anders“, sagt sie. „Sie arbeiten konzentriert und sind völlig vertieft in ihre Arbeit.“
Das Handwerksförderprojekt „German kids clever against darkness“ wird gefördert durch die Sparkasse Neuss. Vier Monate arbeiten die Schülerinnen und Schüler der Jakobusgrundschule unter Begleitung von Jennifer Jandoo an den Mützen. Die 24-Jährige möchte das Thema für ihre Masterarbeit aufgreifen. Betreut wird diese von Prof. Dr. Marina-Elena Wachs, die sich ebenfalls um die Bewahrung der „Häkelkunst“ bemüht:
„Das Projekt dient dazu, den Kindern nachhaltig kulturelle und sprachliche Bildung mit Hilfe textiler manueller Fähigkeiten zugänglich zu machen. Darüber hinaus war es von Bedeutung, dem generationsbedingten Verlust des traditionellen Brauchtums durch die Vermittlung des kulturellen und besonders auch regionalhistorischen Erbes der Handwerkstechnik entgegenzuwirken“, sagt sie.
Pressekontakt: Dr. Christian Sonntag, Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Hochschule Niederrhein: Tel.: 02151 822 3610; E-Mail: christian.sonntag@hs-niederrhein.de
Autor: Christian Sonntag