Mönchengladbach, 18. November. Ärzte befinden sich regelmäßig in einem Dilemma: nämlich dann, wenn Kinder in ihre Praxis kommen, bei denen der Verdacht besteht, dass sie zu Hause geschlagen werden. Einerseits unterliegen Ärzte und Psychotherapeuten der Schweigepflicht. Das sind sie ihren Patienten gegenüber schuldig. Andererseits müssen sie sich fragen, ob das Kindeswohl in Gefahr ist, wenn sie die Angelegenheit nicht dem Jugendamt melden. Das neue Bundeskinderschutzgesetz, das voraussichtlich im nächsten Jahr in Kraft treten soll, will hier regulierend eingreifen. Es will frühe Hilfen gewährleisten und Mindeststandards des Kinderschutzes gewährleisten. Aber kann es das auch?
Mit diesem Thema beschäftigte sich am Freitagvormittag das Symposium „Datenschutz contra Kindesschutz" am Fachbereich Sozialwesen der Hochschule Niederrhein. Gekommen waren Prof. Dr. Reinhard Wiesner, Leiter des Referats Kinder- und Jugendhilfe beim Bundesfamilienministerium, der das Bundeskinderschutzgesetz ausführlich vorstellte. Den kritischen Gegenpart übernahm Prof. Peter-Christian Kunkel, Datenschutzexperte von der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl.
„Wir brauchen eine gute gesetzliche Grundlage. Zugleich müssen wir aber auch vor Ort personell gut aufgestellt sein, um den Familien helfen zu können", sagte Wiesner bei einer anschließenden Pressekonferenz. Wiesner verteidigte das Gesetz als Chance, besser präventiv tätig werden zu können. „Der Aspekt ,frühe Hilfen‘ ist besonders wichtig, um den Familien bei der Erziehung zur Seite zu stehen und die Situation zu verbessern." Peter-Christian Kunkel stritt dagegen ab, dass es in der bisherigen Situation einen Gegensatz zwischen Kinderschutz und Datenschutz gebe. „Es gibt keinen Fall, bei dem der Datenschutz den Kinderschutz beeinträchtigen würde", sagte er. Zusätzliche Regelungen seien aus seiner Sicht daher nicht nötig.
Prof. Dr. Michael Borg-Laufs, der am Fachbereich Sozialwesen der Hochschule Niederrhein Theorie und Praxis psychosozialer Arbeit mit Kindern lehrt, legte anschließend dar, wo die Vorteile des Gesetzes liegen - unter anderem beim Thema ärztliche Schweigepflicht. Das Gesetz sieht hier einen Dreischritt vor: Ärzte und Psychotherapeuten sollen zunächst mit den Eltern sprechen, sich anschließend mit erfahrenen Kinderschutzfachkräften beraten, was sie tun sollen, um dann in einem dritten Schritt nach Rücksprache mit den Fachkräften das Jugendamt zu informieren. „Diese Möglichkeit, sich vor der Meldung ans Jugendamt beraten zu lassen, könnte die Scheu nehmen, Fälle zu melden", sagte Borg-Laufs.
Am Fachbereich Sozialwesen der Hochschule Niederrhein besteht seit 2007 die Arbeitsgemeinschaft Kindeswohl und Kinderschutz. Ihr gehören neben Prof. Dr. Michael Borg-Laufs außerdem der Dekan des Fachbereichs, Prof. Dr. Peter Schäfer, sowie Prof. Dr. Walter Röchling, Professor für Institutionalisierte Soziale Arbeit in Familien und Jugendhilfesachen, an.
Pressekontakt: Dr. Christian Sonntag, Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Hochschule Niederrhein, Tel.: 02151 822-3610, Email: christian.sonntag@hs-niederrhein.de
Autor: Christian Sonntag