Mönchengladbach, 29. August. Seit rund einem Jahr können Besucher die historische Farbstoffsammlung der Hochschule Niederrhein im Textiltechnikum im MonfortsQuartier, einer ehemaligen Textilmaschinenfabrik in Mönchengladbach, besichtigen. Jetzt ist die Sammlung fast um das Doppelte vergrößert und noch sichtbarer gemacht worden.
Es ist ein Schatz, der vor zwei Jahren im Zuge der Ausstellung „… und die Welt wird bunt“ im Museum Schloss Rheydt erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Seit über einem Jahr ist ein Teil der Sammlung im MonfortsQuartier zu sehen. Bisher waren es 2000 Flaschen, jetzt stehen dort rund 4000 Fläschchen, sauber aufgereiht in Glasvitrinen, geordnet nach Farben, Herstellern und Alter. Weitere 6000 Fläschchen bleiben in Krefeld.
„Anhand der Sammlung lässt sich eine spezifisch rheinische Industriegeschichte erzählen“, sagte Kulturdezernent Dr. Gert Fischer heute im Rahmen einer Pressekonferenz. Denn die Branchen Chemie und Textil sind es, die maßgeblich die Industrialisierung am Niederrhein geprägt haben. Die Farbstoffsammlung zeigt, wie die Branchen Mitte des 19. Jahrhunderts aufgestiegen sind und sich dabei gegenseitig beförderten.
Die Farbstoffsammlung, die aus insgesamt rund 10.600 Fläschchen besteht, geht zurück auf das Jahr 1855. In der Krefelder Höheren Webeschule stand schon damals anwendungsorientierte Chemie im Bereich Färben und Textilveredlung auf dem Lehrplan. Das Thema gewann an Bedeutung, 1883 wurde die Färberei- und Appreturschule gegründet. Der erste Direktor der Schule, Dr. Heinrich Lange, kam von der Badischen Anilin- und Soda-Fabrik (BASF) und wusste, woran die Unternehmen interessiert waren: an Färberezepturen.
Die Schule wurde schnell für die zahlreichen neuen Farbstoffproduzenten interessant. Diese gab es so zahlreich, weil mit der Entdeckung der synthetischen Farbstoffproduktion im Jahre 1856 das Geschäft mit den Farben äußerst lukrativ wurde. Jetzt ging es den Produzenten darum, für ihre Farbstoffe entsprechende Färbeverfahren zu entwickeln, um ihre Farben auf die Textilfasern zu applizieren.
Um beim Aufschwung der Textilindustrie dabei zu sein, benötigten sie das Know-how der Lehranstalt. Die Unternehmen schickten ihre Farbstoffe in die Lewerentzstraße (damals Obernstraße) und ließen sie auf ihre Anwendbarkeit zum Färben von Samt und Seide prüfen. In vielen Fällen wurden die entsprechenden Färberezepte für die Industrie entwickelt. Die Wissenschaftler benötigten für ihre Forschung einen Bruchteil des in einer Flasche lagernden Farbstoffs – der Rest blieb im Eigentum der Institution.
Rund um die Färberei- und Appreturschule entwickelte sich bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine neuartige Form der Kooperation zwischen Wirtschaft und Wissenschaft: eine Drittmittelforschung für Farben. „Die Sammlung zeigt, dass wir als Hochschule Niederrhein schon vor 150 Jahren anwendungsorientiert geforscht und gelehrt haben. Schon damals haben Krefelder Wissenschaftler ihr Know-how der Industrie zur Verfügung gestellt. Nach diesem Prinzip funktioniert der Transfergedanke unserer Hochschule Niederrhein bis heute“, sagte Hochschulpräsident Prof. Dr. Hans-Hennig von Grünberg.
Die Farbstoffsammlung im Textiltechnikum kann zu den Öffnungszeiten besucht werden. Diese sind Montag bis Freitag, 11 bis 15 Uhr, außerdem der 3. Sonntag im Monat. Mehr Infos unter www.textiltechnikum.de
Pressekontakt: Dr. Christian Sonntag, Referat Hochschulkommunikation, Tel.: 02151 822 3610; E-Mail: christian.sonntag@hs-niederrhein.de
Autor: Christian Sonntag