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Farbstoff-Flaschen
Indigo war lange der wichtigste Textilfarbstoff. Über 10.000 Farbstoff-Gebinde aus der Zeit zwischen 1880 und 1950 sind im Besitz der Hochschule Niederrhein.

Historische Farbstoffsammlung der Hochschule Niederrhein wird erforscht

Krefeld/Mönchengladbach, 1. Februar. Die historische Farbstoffsammlung der Hochschule Niederrhein wird jetzt erstmals wissenschaftlich analysiert und erforscht. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das regional- und kulturhistorische Projekt „Weltbunt“ mit 550.000 Euro. Beteiligt sind neben der Hochschule Niederrhein das Museum Schloss Rheydt, das Deutsche Textilmuseum Krefeld, die TH Köln und die TU Dresden.

 

Ziel des heute startenden und auf drei Jahre angelegten Projekts ist es, die chemischen Farbstoffe und ihre Anwendung auf Textilien im ausgehenden 19. Jahrhundert bis zur Zeit des Zweiten Weltkriegs zu erforschen. Dabei werden chemie-, textil-, wirtschafts- und sozialgeschichtliche Fragestellungen untersucht, die auch die Bedeutung der Textilstädte Krefeld und Mönchengladbach – heute Standorte der Hochschule Niederrhein – in den Blick nimmt.

 

Industriegeschichte am Niederrhein

 

Während Krefeld im 19. Jahrhundert zur Hochburg der nationalen Seidenindustrie aufstieg, wurde in Mönchengladbach in zahlreichen Spinnereien und Webereien hauptsächlich Baumwolle verarbeitet. Als es ab der Mitte des 19. Jahrhunderts gelungen war, Farbstoffe auf Teerbasis synthetisch herzustellen, wurde dadurch für beide Rohstoffe der Grundstein für die moderne chemische Industrie gelegt.

 

Wichtigster Abnehmer der neuen Farben war die Textilindustrie, wobei das erfolgreiche Einfärben von Seide als Premiumsegment besonders hohe Umsätze versprach. Die Zusammenarbeit der beiden Industriezweige fand ab 1883 in der Krefelder Färberei- und Appreturschule statt, die 1895 an die Adlerstraße zog, wo heute der Fachbereich Chemie der Hochschule Niederrhein untergebracht ist. Dorthin schickten regionale und überregionale Chemieunternehmen die Farbstoffe zu Testzwecken. Denn mindestens so wichtig wie die Entwicklung der Farbstoffe war es, Wege zu finden, um die neuen Farben waschfest auf den Fasern zu fixieren. Daran wurde in Krefeld geforscht, wo im Laufe der Zeit die einzigartige Farbstoffsammlung entstand.

 

Heute ist die Krefelder Sammlung mit über 10.000 Originalfläschchen mit chemischen Färbesubstanzen nicht nur die weltweit größte ihrer Art, sondern auch das beeindruckende Zeugnis für diesen intensiven Austausch zwischen Wirtschaft und Wissenschaft, Chemie- und Textilindustrie. Die Sammlung ist seit knapp zwei Jahren im TextilTechnikum im ehemaligen Monforts-Quartier in Mönchengladbach öffentlich zugänglich.

 

Das Projekt

 

Mit dem erfolgreichen Förderantrag besteht nun erstmals die Möglichkeit, die historische Farbstoffsammlung in Bezug zur Entwicklung der Textil- und Chemischen Industrie und zur Alltags- und Konsumkultur zu setzen. „Das Projekt verbindet moderne Analytik mit wirtschaftshistorischen, gesamtgesellschaftlichen und modegeschichtlichen Fragestellungen. Dabei werden Wechselwirkungen zwischen industrieller Produktion und privatem Konsum sowie dem Einsatz von Farben in Mode und anderen Bereichen des Alltags aufgezeigt und analysiert“, sagt Prof. Dr. Jürgen Schram, Professor für instrumentelle Analytik am Fachbereich Chemie. Als Projektleiter erhält er 361.000 Euro Förderung für die Erforschung der chemischen Substanzen und textilen Erzeugnisse aus den Jahren 1860 bis 1930.

 

Am Museum Schloss Rheydt, Betreiber des TextilTechnikums Mönchengladbach, werden die gewonnenen Ergebnisse der chemisch-textilen Analyse in den wirtschaftshistorischen Kontext gestellt. Wie stellt sich der Textilkonsum für den betrachteten Zeitraum dar? Wie vollzog sich der Einzug der modernen Farbstoffe in den Alltag der Menschen? „Es ist aus musealer Sicht ein einzigartiger Glücksfall, dass sich diese beeindruckende Sammlung über die vielen Jahre vollständig erhalten hat und uns heute ganz neue Einblicke in die Geschichte der Farben ermöglicht“, sagt Dr. Karlheinz Wiegmann, Leiter des Museums Schloss Rheydt.   

 

Das Deutsche Textilmuseum Krefeld erforscht anhand seiner umfangreichen Modesammlung die  Wechselwirkungen zwischen Moden, Farben, Textilien und Konsum. „Die originalen Kleider und Textilien sind Belege für die Anwendung der Farbstoffe im Bereich der Mode und bezeugen, welche Farbnuancen und Farbkombinationen tatsächlich Einzug in die Kleidung gefunden haben“, sagt Dr. Annette Schieck, Direktorin des Deutschen Textilmuseums Krefeld.

 

Das CICS als Institut der Technischen Hochschule Köln nimmt die dort aber auch in Krefeld und Mönchengladbach vorhandenen Färbe-Musterbücher der betroffenen Zeiträume in den Fokus. Diese stellen die Schnittstelle zwischen Farbstoff und Textil in der Alltagskultur dar. Neben chemischen Analysen an den Objekten zur Beschreibung und konservatorisch passenden Lagerung werden diese auch als Informationsquellen zur Beschreibung der Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Farbigkeit und Textilindustrie angesehen.

 

Die bisher bestuntersuchte und heute zweitgrößte Farbstoffsammlung der Welt, die der TU Dresden, wird in dem Verbundprojekt mit in den Fokus genommen. In einer umfassenden Datenbank sollen auch die Objekte dieser Datenbank mit aufgenommen werden.

 

Die Ergebnisse des Projekts sollen in Publikationen und einer Tagung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und sowohl als Dauerausstellung im TextilTechnikum Mönchengladbach als auch in einer temporären Modeausstellung 2019 im Deutschen Textilmuseum Krefeld präsentiert werden. Zudem ist eine Bereitstellung der Ergebnisse sowie der themenbezogenen Objekte in Krefeld, Mönchengladbach, Köln und Dresden in einer allgemein zugänglichen Datenbank Teil des Projektes. Die Stärke dieses Verbundprojektes ist der interdisziplinäre und überregionale Ansatz, der sämtliche Facetten der Textilfärbechemie und des entsprechenden Umfeldes sowie deren Wechselwirkung beleuchtet.

 

Projektkoordinator:

Prof. Dr. Jürgen Schram, Chemisches Institut der Hochschule Niederrhein in Krefeld, Eigentümer der historischen Farbstoffsammlung.

Projektpartner:

Dr. Karlheinz Wiegmann, Museum Schloss Rheydt – TextilTechnikum in Mönchengladbach, Ort der dauerhaften Präsentation der Farbstoffsammlung.  

Prof. Dr. Robert Fuchs und Dr. Doris Oltrogge, CICS (Cologne Institute of Conservation Science) der TH Köln

Dr. Annette Paetz gen. Schieck, Deutsches Textilmuseum Krefeld, Eigentümer einer großen Sammlung historischer Mode und Ort der temporären Ausstellung zur Präsentation der Projektergebnisse im Jahr 2019–2020 mit dem Titel „Zeitkolorit“.

 

Das Projekt ist für drei Jahre finanziert und beginnt am 1. Februar 2017. Die Teilnehmer planen danach wissenschaftliche Folgeanträge.

 

Pressekontakt: Dr. Christian Sonntag, Referat Hochschulkommunikation: Tel.: 02151 822 3610; E-Mail: christian.sonntag@hs-niederrhein.de

 

Autor: Christian Sonntag