Wo könnte die Stadt Mönchengladbach beim Thema Erinnerungskultur nachbessern? Sind die Ehrungen vieler historischer Persönlichkeiten, die das Stadtbild prägen, aus heutiger Sicht noch zeitgemäß? Wie und wo lässt sich eine kritische Auseinandersetzung mit Formen von Benachteiligung erzielen?
Auf diese Fragen sucht die Kommunalpolitik Antworten – und bat die Hochschule Niederrhein (HSNR) um Unterstützung. 21 Master-Studierende in Kulturpädagogik und Kulturmanagement legten los – und erarbeiteten in Projektarbeiten konkrete Vorschläge. Ihre vielfältigen Ideen präsentierten sie kürzlich Oberbürgermeister Felix Heinrichs und Vertretern aus Politik und Kultur. „Uns geht es darum, Diskriminierung und menschenverachtende Haltungen in unterschiedlichem Kontext sichtbar zu machen“, sagt Prof. Dr. Andris Breitling, der das HSNR-Projekt „Erinnerungskultur: Straßennamen“ leitet.
Wie vielschichtig das Thema sein kann, bewiesen die sechs Gruppen aus dem Fachbereich Sozialwesen. Eine untersuchte beispielsweise, wie oft Straßen nach Frauen und Männern benannt sind. Das Fazit: Von rund 2000 Straßen in Mönchengladbach wurden 300 Männern gewidmet und nur 53 Frauen. Diese waren entweder adelig, in der Kirche – oder kamen als „Gattin von…“ zu ihrer posthumen Ehre. Wissenschaftlerinnen blieben unberücksichtigt.
Eine andere Idee: Einen Platz der Erinnerungen schaffen, der Weberinnen, Spinnerinnen und andere längst vergessene Personengruppen aus der Textilindustrie ins Bewusstsein zurückholt. Infotafeln, Kunstwerke, Denkmäler, Statuen und Sitzbänke könnten zum Verweilen und Informieren einladen.
Während einer weiteren Gruppe ein riesiges Wandgemälde an einer Hausfassade vorschwebt, das die Beteiligung Mönchengladbachs am Kolonialismus über die Textilindustrie verbildlicht, könnte ein Multimedia-Guide mit Videos, Audiobeiträgen zu einem lebhaften Stadtrundgang beitragen, bei dem Namensgeberinnen und Namensgeber von Straßen vorgestellt werden.
Ein Podcast könnte sich, so die Vision der Studierenden, mit den umstrittenen Persönlichkeiten Otto von Bismarck und Paul von Hindenburg auseinandersetzen.
Eine andere Gruppe fordert ganz konkret die Umbenennung der Hanns-Martin-Schleyer-Straße. Denn lange vor seiner Ermordung 1977 durch die RAF gehörte Schleyer während des Nationalsozialismus der NSDAP an und war SS-Untersturm-Führer. Alternativ könnte der Fokus auf die in Wanlo geborene, jüdische Holocaust-Überlebende Hilde Sherman liegen, so ein Gedankenspiel der Studierenden.
Ein kindgerechter Audioguide könnte darüber hinaus das Leben und Wirken verschiedener Persönlichkeiten Mönchengladbachs im Zweiten Weltkrieg entlang einer Route erlebbar machen, schwebt den Projektteilnehmerinnen und -teilnehmern vor.
Nun ist die Stadt am Zug: Findet sie in den Ideen Anreize zur Umsetzung? „Da der politische Diskurs noch in vollem Gange ist und bisher keinerlei Festlegungen getroffen wurden, sind die Vorschläge der Studierenden ganz sicher interessante Denkanstöße. Mit den vorgestellten Methoden zur Erinnerungskultur haben die Studierenden Wege aufgezeigt, wie Straßennamen kritisch in den historischen Kontext eingeordnet werden können. Ich bin gespannt auf den weiteren Austausch“, sagt Oberbürgermeister Heinrichs.