Maschinenbau und Medizin sind zwei Disziplinen, die man nicht unbedingt direkt miteinander verknüpfen würde. Dabei gibt es zwischen der Ingenieurswissenschaft und der Medizin zahlreiche Schnittstellen. Zwei Maschinenbaustudenten der Hochschule Niederrhein untersuchen in ihren Bachelorarbeiten die Arterien des menschlichen Körpers. Im Rahmen ihrer Praxisphase waren sie nun zwölf Wochen zu Gast an der University of Sheffield in Großbritannien.
Doch was hat Maschinenbau mit Medizin zu tun? Vorgänge werden in der Medizin meistens in vivo, also am lebenden Organismus oder in vitro, zum Beispiel im Reagenzglas im Laborumfeld betrachtet. Relativ neu ist der Ansatz in silico. Dabei werden Abläufe am Computer simuliert. In der Industrie ist diese Vorgehensweise schon Standard.
„Ob wir Abläufe in Metallrohren oder das Geschehen in Arterien simulieren, ist vom Ansatz her erst mal dasselbe“, sagt Dr. Jaan Unger, Professor für Technische Mechanik und Mathematik für Ingenieure. Die Bachelorstudenten Kai Bittner und Michael van Husen haben ihren Aufenthalt an der University of Sheffield genutzt, um Simulationen für ihre Abschlussarbeiten zu erstellen.
Mit einer Simulation der Blutströme im Gehirn untersucht Kai Bittner die Möglichkeit der Früherkennung eines zerebralen Vasospasmus. Dies ist eine krampfhafte Verengung der Arterien, welche zu einer Minderdurchblutung des Gehirns und somit zu einem Schlaganfall führen kann. Der Vasospasmus bleibt meist unerkannt bis Symptome der Minderdurchblutung wie Sprachstörungen auftreten.
In einer Simulation untersucht der Bachelorstudent ob sich durch das Strömungsverhalten des Blutes zum Gehirn Rückschlüsse auf mögliche Verengungen der Arterien im Gehirn ergeben. „Die simulierte Pulswelle ist eine Überlagerung von einer vom Herzen ausgehenden und einer reflektierten Welle. Eine Verengung der Arterien ändert das Reflexionsverhalten. Auch der Volumenstrom und die Geschwindigkeit des Blutflusses sind hierdurch betroffen“, sagt Bittner. Die Ergebnisse der Arbeit könnten einen Beitrag dazu leisten, durch gezielte Messungen Schlaganfälle frühzeitig zu erkennen.
Michael van Husen untersucht Spannungen in der Endothelschicht, die durch das Einführen von Kathetern entstehen. Die Endothelschicht besteht aus Zellen und ist die innerste Wandschicht von Blutgefäßen. Durch die Reibung und den Druck beim Einführen des Katheters wird diese Wandschicht beansprucht und kann verletzt werden. In Sheffield konnte van Husen dazu ein Experiment durchführen. Gemeinsam mit einem Alumnus der Hochschule Niederrhein, der derzeit an der Universität forscht, untersuchte er in vitro die Belastung von Endothelzellen bei Reibung.
Die Daten übertrug er anschließend in ein Finite-Elemente-Berechnungs-Programm. Dieses erlaubt Rückschlüsse über die Spannungen der Endothelschicht unter verschieden Kontaktbedingungen. Die Erkenntnisse aus der Bachelorarbeit könnten helfen, die Eigenschaften von Kathetern zu verbessern und Zellschaden zu reduzieren.
Die Verbindung zur Universität Sheffield besteht schon seit vielen Jahren. Regelmäßig schickt Prof. Jaan Unger seine Studierenden in den Ort im Norden Englands. Dadurch werden den Studierenden neue Perspektiven eröffnet. „Wir studieren beide Konstruktion und Entwicklung am Fachbereich Maschinenbau. Mit medizinischen Themen hatten wir vorher noch keine Berührung“, sagt Michael van Husen. Möglich wurde der Aufenthalt zudem durch das Förderprogramm PROMOS des Deutschen Akademischen Austauschdienst und dem Förderverein des Fachbereichs Maschinenbau und Verfahrenstechnik der Hochschule Niederrhein.