Mönchengladbach, 19. April. Der Name Frauke stammt aus dem Niederdeutschen und bedeutet so viel wie „kleine Frau" oder „Frauchen". Im Forschungsinstitut SO.CON der Hochschule Niederrhein stand der Name „FrauKE" in den vergangenen 13 Monaten dagegen für ein zukunftsgewandtes Frauenbild, nämlich für das Projekt „Frauen. Karrieren. Entwickeln.", das sich den Karrierepotentialen von Frauen im Gesundheits- und Sozialwesen widmete. Drei Wissenschaftlerinnen untersuchten die Aufstiegschancen von Frauen in Pflegeberufen, medizinischen Berufen und sozialen Berufen. Heute stellten sie ihre Ergebnisse im Rahmen der Veranstaltung „Karrierepotenziale von Frauen im Gesundheits- und Sozialwesen" vor.
Den Wissenschaftlerinnen ging es unter anderem darum, herauszufinden, warum gerade in den von Frauen dominierten Berufsfeldern im Gesundheits- und Sozialwesen die Führungspositionen überwiegend von Männern besetzt sind. Sie verschickten bundesweit Fragebögen an zwölf Unternehmen. 1052 Frauen, die als Fach- oder Führungskräfte tätig sind, beantworteten die insgesamt 70 Fragen und ermöglichten damit den Wissenschaftlerinnen, aussagekräftige Ergebnisse vorzulegen. Diese sind in einem umfangreichen Bericht aufgeführt, der in einigen Wochen fertiggestellt wird. Mit der Studie liegen erstmals belastbare Daten zur Aufstiegsorientierung und zum Aufstiegsverhalten von Frauen im Gesundheits- und Sozialwesen vor.
„Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels wird es für die Unternehmen immer wichtiger, die Karrierepotenziale von Frauen zu nutzen", erklärte Prof. Dr. Edeltraud Vomberg, Leiterin des am Fachbereich Sozialwesen der Hochschule Niederrhein angesiedelten Instituts SO.CON. Es sei skandalös, dass gerade in den Kliniken, Pflegeeinrichtungen, Einrichtungen der Behindertenhilfe und anderen Unternehmen der sozialen Arbeit der hohe Frauenanteil unter den Beschäftigten sich nicht auf der Leitungsebene widerspiegele. So seien in den befragten Unternehmen 10.330 Frauen und 3050 Männer beschäftigt. Aber während nur 8 Prozent der Frauen in Führungspositionen tätig seien, sei dies knapp jeder vierte Mann (22 Prozent).
Die Wissenschaftlerinnen untersuchten daher die Gründe für den beruflichen Werdegang der Frauen, fragten nach Kindern, Partnerschaft, Religion, Migrationshintergrund oder Bildung der Eltern. Sie stellten fest, dass auch die Unternehmenskultur eine wichtige Rolle bei der Aufstiegsorientierung von Frauen spielt. „Lob und Anerkennung durch den Vorgesetzten fördert die Aufstiegsorientierung von Frauen ganz wesentlich", sagte Anita Wiemer, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut SO.CON und organisatorische Leiterin des Projekts.
Auch die Unterstützung des Partners bei der Karriereplanung und deren Umsetzung spiele eine wichtige Rolle bei den Aufstiegschancen von Frauen. Andere Punkte, die wesentlich zur Karriere von Frauen beitragen können, sind die Bereitstellung von Kinderbetreuungsmöglichkeiten, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Transparenz von Gehältern, die Vernetzung in privaten Netzwerken oder auch die Erwerbstätigkeit und die Bildung der Mutter. „Bei Frauen mit Migrationshintergrund stellten wir eine stärkere Aufstiegsorientierung als bei Frauen ohne Migrationshintergrund fest", sagte Esther Ochoa Fernández, wissenschaftliche Leiterin des Projekts. Allerdings sei die Aufstiegswahrscheinlichkeit bei Frauen mit Migrationshintergrund geringer.
Aus den Studienergebnissen wurden konkrete Handlungsempfehlungen abgeleitet. Um Karrierepotenziale von Frauen zu nutzen, müssen Unternehmen des Gesundheits- und Sozialwesens ihre Strukturen sowie Qualifizierungs- und Rekrutierungsmaßnahmen weiterentwickeln. „Benötigt werden kleinschrittige Potenzialentfaltungsmöglichkeiten für Frauen", sagte Sara Bode von der Unternehmensberatung contec GmbH, Praxispartner im Projekt. „Durch Instrumente wie Projektarbeit, Job-Rotation, Vertretungsregelungen oder die Übernahme von Management auf Zeit werden Frauen befähigt und können Führung ausprobieren."
Prof. Dr. Ute Klammer, Vorsitzende der Sachverständigenkommission des ersten Gleichstellungsberichts der Bundesregierung, sagte, immer wieder gehe es bei solchen Diskussionen um die Frage, ob Frauen überhaupt in Führung gehen wollten. „Dazu sage ich: Frauen wollen in Führungspositionen, aber nicht unter den heutigen Bedingungen." Die „Verfügbarkeitskultur", die in vielen Unternehmen hinsichtlich ihrer Führungspositionen herrsche, sei von Männern gemacht. Daher sei ein wichtiger Schritt hin zu mehr Frauen in Führungspositionen eine Veränderung der Führungskultur.
Pressekontakt: Dr. Christian Sonntag, Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Hochschule Niederrhein, Tel.: 02151 822-3610; christian.sonntag@hs-niederrhein.de
Autor: Christian Sonntag